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Gastprofessor Bärfuss

Interkulturelles Wissen

«Wahnsinnige und Idioten»

Der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss lehrte im Frühjahrssemester 2021 als 15. Friedrich Dürrenmatt Gastprofessor für Weltliteratur an der Universität Bern. Anlässlich des 100. Geburtstags Dürrenmatts setzte er sich in einer wöchentlichen Vorlesung mit dessen Werk auseinander - unter dem Titel «Wahnsinnige und Idioten».

 

Lukas Bärfuss, 1971 in Thun geboren, ist Dramatiker, Romancier und Essayist. In seinen Werken beschäftigt sich Bärfuss immer wieder mit menschlichen Abgründen und gesellschaftlichen Problemen. Als öffentlicher Intellektueller scheut er sich nicht, sich kontrovers zu aktuellen politischen Themen zu Wort zu melden – durchaus in der Tradition Dürrenmatts. 

Lukas Bärfuss in «seinem» Hörsaal an der Universität Bern, in dem er seine wöchentliche Vorlesung «Wahnsinnige und Idioten» abhielt: Pandemiebedingt wurde sie live übertragen. Den Studierenden war ermöglicht worden, ihrem Gastprofessor Fragen zu übermitt
Lukas Bärfuss in «seinem» Hörsaal an der Universität Bern, in dem er seine wöchentliche Vorlesung «Wahnsinnige und Idioten» vor leeren Rängen abhielt. Pandemiebedingt wurde sie live übertragen. Die Studierenden nahmen virtuell teil und konnten ihrem Gastprofessor Fragen übermitteln. (© Universität Bern, Bild: Annette Boutellier)

Wussten Sie, dass?

«Der Georg-Büchner-Preis 2019 ging an Lukas Bärfuss. Diese Auszeichnung gilt als renommiertester Literaturpreis im deutschsprachigen Raum. Bärfuss ist nach Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt und Adolf Muschg der vierte Schweizer, der mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde.»

Die öffentliche Auftaktveranstaltung zur 15. Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur fand am 3. März 2021 im Hallersaal der Berner Burgerbibliothek statt. Lukas Bärfuss hielt eine Rede unter dem Titel «Eine kleine Geschichte des Wahnsinns» und führte ein Gespräch mit dem Literaturwissenschaftler Oliver Lubrich, Projektleiter der Gastprofessur und Professsor für Neuere Deutsche Literatur und Komparatistik an der Universität Bern.

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Videoaufzeichnung der Auftakt-Veranstaltung mit Lukas Bärfuss vom 3. März 2021

Banalisierung des Wahnsinns

In seiner wöchentlichen Vorlesung vor Studierenden der Philosophisch-historischen Fakultät verortete Lukas Bärfuss Dürrenmatts Werk in der Weltliteratur und diskutierte die Geschichte der Psychopathologie in der modernen Literatur – nicht nur bei Dürrenmatt, auch bei Virgina Woolf, Thomas Pynchon und anderen. Bärfuss erörterte auch die Frage, ob es «einen Zusammenhang zwischen dem Bedeutungsverlust der Literatur und der Profanisierung und Banalisierung des Wahnsinns» gibt: «Die Psychopharmaka werden alltagstauglich, der Besuch beim Therapeuten gehört zum Lifestyle. Es gibt nun einen gesunden Narzissmus, und ein Burn-Out gehört ins CV eines Managers.» 

Lukas Bärfuss bei der Arbeit als Gastprofessor. Er möchte das Emanzipatorische an der Literatur vermitteln: «Wie befreiend es ist, an einem Gedanken zu arbeiten und zu versuchen, diesen Gedanken zu formulieren und zu teilen.»
Lukas Bärfuss bei der Arbeit als Gastprofessor. Er möchte das Emanzipatorische an der Literatur vermitteln: «Wie befreiend es ist, an einem Gedanken zu arbeiten und zu versuchen, diesen Gedanken zu formulieren und zu teilen.» (© Universität Bern / Bild: Annette Boutellier)

Auf die Frage, was er seinen Studierenden vermitteln wolle, sagte Lukas Bärfuss: «Zuerst eine Methode, nämlich meine Methode der 'Explorativen Lektüre'. Bei ihr liest man nicht Texte, sondern die Welt. Bücher sind Artefakte, die mit anderen Artefakten in einem Zusammenhang stehen. Diese Zusammenhänge sind nicht gegeben, sie müssen entwickelt werden: das geschieht bei der 'explorativen Lektüre'. Und dann möchte ich einen Enthusiasmus vermitteln, meine Freude an der Literatur, das Emanzipatorische daran: wie befreiend es ist, an einem Gedanken zu arbeiten und zu versuchen, diesen Gedanken zu formulieren und zu teilen. Dazu muss man nicht Schriftsteller sein. Die jungen Menschen sind in einer komplizierten Situation zurzeit. Da ist die Notwendigkeit, eigene Gedanken zu entwickeln, ganz besonders entscheidend – und auch den Mut zu diesen eigenen Gedanken.»

Kurz gesagt

«Ich möchte einen Enthusiasmus vermitteln, meine Freude an der Literatur, das Emanzipatorische daran.»
Lukas Bärfuss

Videoaufzeichnungen der Vorlesung

Zur Vorlesung von Lukas Bärfuss waren nicht nur Studierende, sondern alle interessierten Menschen ausdrücklich und herzlich eingeladen, als Gasthörerinnen und Gasthörer. Wer bei der Live-Übertragung aus dem Hörsaal nicht dabei sein konnte, kann sich alle Aufzeichnungen von Lukas Bärfuss' Vorlesung als Video ansehen. 

Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur

Die Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur erweitert das akademische und kulturelle Angebot in Bern und darüber hinaus. Seit dem Frühjahr 2014 unterrichtet in jedem Semester ein internationaler Gast an der Universität Bern. Die Autorinnen und Autoren geben je eine 14-wöchige Lehrveranstaltung und arbeiten wie reguläre Professorinnen und Professoren mit Studierenden und Doktorierenden zusammen. Zusätzlich zu ihren Seminaren oder Vorlesungen werden universitäre und öffentliche Veranstaltungen in Bern sowie an anderen Orten in der Schweiz organisiert. Die Gastprofessur wird verwirklicht mit Unterstützung der Stiftung Mercator Schweiz und der Burgergemeinde Bern.

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