«Die Universität muss sicherstellen, dass auch Grundlagenforschung und Fragestellungen, die in sich genuin sind, unbehelligt von Zeitgeist und Mainstream erforscht werden können.»
Universitätsleitung
Forschende sind getrieben von ihrer Neugier. Sie wollen Wissen schaffen. Dafür benötigen sie sichere Rahmenbedingungen und die Freiheit, Fragestellungen unbehelligt von Zeitgeist und Mainstream nachzugehen.
Von Prof. Dr. Daniel Candinas, Vizerektor Forschung
Forschende der Universität Bern haben auch im vergangenen zweiten Pandemiejahr Bemerkenswertes geleistet, ganz gemäss unserem Leitbild: Wissen schafft Wert. Berner Forschende haben wichtige Beiträge zu den Fragen, die zurzeit im Zusammenhang mit der Pandemie dringlich sind, geliefert. Dabei haben sich die Stärken unserer Volluniversität mit einem vielfältigen Fächerkanon deutlich bemerkbar gemacht; einerseits, indem Lösungswege aus einem breiten Spektrum von den Life Sciences über Ökonomie bis hin zu sozialen Aspekten erarbeitet wurden, andererseits, indem interdisziplinäre Ansätze aufgezeigt werden konnten, wie zum Beispiel im Rahmen des neu gegründeten Multidisciplinary Center for Infectious Diseases.
Nachdem im Vorjahr viele Forschungsaktivitäten unter den pandemiebedingten Einschränkungen gelitten hatten, passten sich die Forschenden rasch an die unsichere und volatile Lage an. Sie erschlossen neue Kommunikationswege über digitale Medien und agierten in überdurchschnittlichem Masse erfolgreich. Dies spiegelt sich unter anderem in herausragenden Publikationen, zahlreichen Drittmitteleinwerbungen und prestigeträchtigen Ehrungen und Preisen. So verfügt die Universität Bern aktuell über 3 nationale Forschungsschwerpunkte, 449 Nationalfonds-Projekte, 120 EU-Projekte und über 59 internationale Grants und rund 860 neue Forschungskooperationen zum Technologietransfer mit der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft sind entstanden.
Dabei stellt sich die Frage: Wer sind diese Forschenden und was motiviert sie, sich tagtäglich zu engagieren? Es ist selbstverständlich, dass sich die Bezeichnung «Forscherin und Forscher» nicht mit wenigen Stereotypen bedienen lässt, zumal wir von einer sehr diversen Gruppe sprechen, die sich wohl aus den unterschiedlichsten Motiven heraus engagieren. Aber ihnen allen gemeinsam ist, dass sie von Neugierde getrieben sind und sich sehr intensiv mit Fragen auseinandersetzen, die sich nur mit Ausdauer, wachem Geist, Fantasie und Gelehrsamkeit angehen lassen.
Das etwas aus der Mode gekommene Wort «Gelehrsamkeit» im Sinne von «Scholarship» bezeichnet dabei meines Erachtens eine zentrale Eigenschaft, die in der Kurzlebigkeit unserer von metrischen Dimensionen beherrschten Zeit etwas unterzugehen droht. Dabei ist es genau diese Haltung, welche auch an unserer Universität zu exzellenter Forschung führt und Menschen sowie ganze Forschungsgruppen fasziniert. Ausdauer und Gelehrsamkeit sind aber nicht nur eine Haltung, welche die Forschenden auszeichnet. Die Universität mit ihren Instituten muss ihrerseits den Rahmen hierzu bieten. Die Universität muss sicherstellen, dass auch Grundlagenforschung und Fragestellungen, die in sich genuin sind, unbehelligt von Zeitgeist und Mainstream erforscht werden können, und sie muss dafür Ressourcen bereitstellen. Wer hätte zum Beispiel vor zehn Jahren im Rahmen eines sogenannten «Strategieprozesses» vorhersehen können, dass die Grundlagenforschung zu Coronaviren an der Berner Vetsuisse-Fakultät eines Tages in den Fokus der Herausforderungen der Menschheit geraten würde? Hier kann man zu Recht sagen: «Le hasard fait bien les choses».
Wir haben an unseren Fakultäten Forschende in den unterschiedlichsten Lebensphasen und mit den verschiedensten Perspektiven und akademischen Reifegraden. Das ist gut so und stellt eine «Durchlüftung» des Systems sicher, füllt es mit Leben und Inhalten. Es herrscht ein Wettbewerb von Ideen, den wir fördern wollen. Wir haben in den vergangenen Jahren auch bewusst in den Ausbau der Translation von Wissen in praktische und gesellschaftlich relevante Anwendungen investiert; zum Beispiel, indem wir 2021 ein Innovation Office etablierten, welches diese Transition unterstützt. Aber all dies wäre unvollkommen und stünde letztlich auf wackligen Füssen, wenn die Grundlage dazu fehlte. Und die liegt in der Exzellenz der «freien» Forschung. In diesem Sinne gilt mein Dank all jenen, die hierzu einen Beitrag leisten.